Russland
Um das oben abgebildete Trikot ging es heute: Im Zeitfahren kämpften die Fahrer aus Russland heute um das begehrte Meistertrikot, um ihr Land in der anstehenden Saison auch farblich entsprechend repräsentieren zu dürfen. Der russische Radsportverband dürfte dabei neben der Kriegsproblematik, die das Land weiterhin fest im Griff hält, auch mit der recht dünnen Profidecke zu kämpfen haben. Wir erinnern uns an die großen Namen der Vergangenheit wie Evgeni Berzin, Pavel Tonkov, Vjacheslav Ekimov, Serguei Ivanov, Denis Menchov, Vladimir Karpets, Vladimir Efimkin, Alexandr Kolobnev oder zuletzt Ilnur Zakarin, gerade im Bereich der Rundfahrer waren Fahrer aus Russland immer wieder zumindest zur erweiterten Weltspitze zu zählen. Auch aktuell ist hier mit Aleksandr Vlasov wieder ein aussichtsreicher Kandidat im Profizirkus vertreten, dahinter wird es aber doch arg eng mit den russischen Radprofis, die zuletzt nachhaltig auf sich aufmerksam machen konnten.
Nichtsdestrotrotz trafen sich die ambitionierten Fahrer, um die besagten Meistertitel unter sich auszufahren, auch wenn die Favoritenrolle sowohl im Zeitfahren als auch im Straßenrennen aufgrund der Leistungen in den letzten Jahren ganz klar bei Aleksandr Vlasov (BOH) lag. Gerade diese Nationalen Meisterschaften sind aber immer wieder auch sehr chaotische Rennen und Vlasov (BOH) als Einzelstarter dürfte alle Hände voll zu tun haben, das Straßenrennen unter seiner Kontrolle zu behalten.
Zunächst einmal stand aber das Zeitfahren auf dem Programm: 36 Kilometer rund um Samara, ein leicht welliger Kurs, aber sicherlich nichts, was den starken Tempobolzern zu viele Probleme machen sollte. Vier Profis hatten den Weg an die Startlinie gefunden, dazu gesellten sich dann noch diverse Amateure, die das Rennen eröffneten. So war es Vladislav Duyunov (???), der mit 47‘50“ eine erste Richtzeit setzen sollte und seinen kurz vor ihm gestarteten Landsmann Sergey Belyakov (???) vom heißen Stuhl verdrängen sollte. Direkt danach wurden auch die ersten Profis im Ziel erwartet, angeführt von Roman Ermakov (LT2), der in der vergangenen Saison als Stagiaire bei Lidl-Trek reinschnuppern durfte und die Saison 2024 in deren Developmentteam bestreiten wird. Ihm gelang es jedoch nicht, Duyunov (???) von der Spitze zu verdrängen, knapp sechs Sekunden war er langsamer als als der weiterhin Führende. Auch Egor Igoshev (COR) konnte nach Platz 10 im Vorjahr in diesem Jahr keinen ganz großen Schritt nach vorne machen und reihte sich wenige Zehntel hinter seinem jungen Landsmann Ermakov (LT2) nur auf Rang 3 ein.
Sechs Fahrer waren nun noch auf der Strecke unterwegs, alle im Vorjahr unter den TopTen platziert und in umgekehrter Reihenfolge dieses Ergebnisses im Rennen. Und nahezu alle waren hier auf einem sehr ähnlichen Niveau unterwegs, denn trotz der Distanz von 36 Kilometern lagen die Fahrer momentan sehr eng beisammen. Auch Konstantin Nekrasov (???) durfte sich bis zur Ziellinie Hoffnungen auf die Bestzeit machen und verpasste diese nur um eine schlappe Sekunde. Der zwei Minuten nach ihm gestartete Victor Manakov (???) schien heute hingegen keinen guten Tag erwischt zu haben und war bereits bei den Zwischenzeiten abgeschlagen, im Ziel spielte er dementsprechend auch keine Rolle. Stattdessen ging der Blick schnell weiter zu Savva Novikov (COR), der die zwei Minuten Startabstand zu Manakov (???) fast auffahren konnte und dann auch mit einer guten Bestzeit das Ziel erreichen konnte, eine halbe Minute schneller als der bisher Führende Duyunov (???). Nur noch drei Fahrer damit auf der Strecke, von denen man Petr Rikunov (???) aber auch schnell aus dem Kampf um das Podium streichen konnte, er kam mit fast anderthalb Minuten Rückstand auf Novikov (COR) ins Ziel, der sich damit schon einmal einer Medaille sicher sein konnte.
Doch welche würde es werden? Die Goldmedaille nicht, dass stand nur wenige Sekunden nach der Zieldurchfahrt von Rikunov (???) fest, da kam nämlich schon Aleksandr Vlasov (BOH) ins Ziel! Der Bora-Profi hatte den zwei Minuten vor ihm gestarteten Ex-Profi Artem Nych (???) überholt und sogar fast auch die vier Minuten auf Rikunov (???) aufgefahren. Klare Bestzeit von Vlasov (BOH), der sich damit schon auf dem Zielstrich über die Verteidigung seines Zeitfahrtitels freuen konnte. Dahinter ging es dann noch um die Frage nach der Silbermedaille, denn bei einem Vorsprung von 2‘29“ von Vlasov (BOH) auf Novikov (COR) durfte sich Letztgenannter im Duell mit Nych (???) noch Hoffnungen ausrechnen. Dementsprechend blieb Novikovs (COR) Blick auch auf die Straße gerichtet, bis sich seine Gesichtszüge schließlich entspannten: Für Artem Nych (???) reichte es nach Platz zwei im Vorjahr dieses Mal nur zur Bronzemedaille, sechs Sekunden hinter Novikov (COR). Der klare Sieger aber hieß einmal mehr Aleksandr Vlasov (BOH), der sich seinen dritten Zeitfahrtitel in Folge sichern konnte.
Auch im Straßenrennen ging Aleksandr Vlasov (BOH) als Titelverteidiger und großer Favorit an den Start, zu den bereits im Zeitfahren angetretenen Igoshev (COR), Novikov (COR) und Ermakov (LT2) gesellte sich nun aber auch noch der schnelle Gleb Syritsa (MOV) sowie natürlich zahlreiche Amateure dazu. Syritsa (MOV), der aufgrund der eher schwächeren Konkurrenz sicherlich auch im Zeitfahren nicht chancenlos auf eine Medaille gewesen wäre, dürfte der endschnellste Mann im Feld sein, auf einen klassischen Massensprint darf er sich als Einzelstarter aber wohl nicht gefasst machen.
17 Runden galt es auf dem Kurs rund um Samara zu absolvieren, ein paar kleinere Wellen und ein kurzer, aber knackiger Anstieg hinauf zur Ziellinie bildeten die etwa 10 Kilometer lange Runde. Und die großen Namen wollten sich hier von Beginn an nicht auf ein mögliches Katz-und-Maus-Spiel mit einer Horde Amateurfahrer einlassen: Egor Igoshev (COR) suchte früh sein Heil in der Flucht, auch Roman Ermakov (LT2) war von Beginn an sehr aktiv und da ließen sich dann die anderen Profis auch nicht lange bitten. So kristallisierte sich früh im Rennen die wohl schon entscheidende Spitzengruppe heraus, in der mit Vlasov (BOH), Igoshev (COR), Novikov (COR), Ermakov (LT2) und Syritsa (MOV) alle Profis vertreten waren, dazu dann auch die Amateure Nych (???), Nekrasov (???), Rikunov (???), Maikin (???), Duyunov (???) und Rostovtsev (???). Elf Fahrer also, die sich über einen Großteil des Rennens mehr und mehr von den Verfolgern absetzen konnten und früh war klar, der Sieger würde aus dieser Gruppe kommen.
So verlief das Rennen bis zur 100-Kilometer-Marke recht ruhig, dann kam wieder etwas mehr Bewegung rein: Mit Duyunov (???) konnte sich ein Amateurfahrer ein wenig absetzen, der auch schon im Zeitfahren durchaus positiv aufgefallen war. Mehr als 20 Sekunden an Vorsprung konnte er auf die Verfolgergruppe aber nicht herausfahren und auch die anderen Amateurfahrer waren natürlich nicht gewillt, einem ihrer Kontrahenten aus dem Amateurlager einfach so die Lorbeeren zu überlassen. So ließ man Duyunov (???) ein wenig an der langen Leine verhungern, wirklich aus den Augen ließ man ihn aber nicht. Gerade im Anstieg hinauf zur Ziellinie war es in den nächsten Runden immer wieder Roman Ermakov (LT2), der das Tempo ruckartig verschärfte und so die Konkurrenz zum Handeln zwang. So bekam fünf Runden vor Schluss dann Roman Maikin (???) Schwierigkeiten, der Ex-Profi kam zwar noch einmal zurück, musste eine Runde später dann aber gemeinsam mit Rostovtsev (???) endgültig die Segel streichen. Vorne konnte sich Duyunov (???) zwar weiter tapfer verteidigen, die Chancen auf eine erfolgreiche Flucht wurden aber immer geringer. Vielleicht mit einem Begleiter von hinten? In Runde 14 war es dann soweit, 30 Kilometer vor dem Ziel setzte Aleksandr Vlasov (BOH) erstmals zum Angriff an! Für Rikunov (???), Nekrasov (???) und Nych (???) war die Sache sofort vorbei, auch Igoshev (COR) musste eine Lücke lassen und nur Syritsa (MOV) und Ermakov (LT2) konnten direkt am Hinterrad von Vlasov (BOH) bleiben. Dieses Trio lief aber nicht richtig zusammen, zum Glück für Duyunov (???) vorne, der sich noch ein wenig weiter behaupten konnte. Aber auch die bereits abgehängten Novikov (COR), Igoshev (COR) und Nych (???) kamen noch einmal zurück und füllten die Verfolgergruppe wieder auf.
So verlief die drittletzte Runde weitestgehend ruhig, erst hinauf zum Zielstrich ging wieder die Post ab: Nächste Attacke von Vlasov (BOH), der dieses Mal die Lücke aufreißen konnte! Schnell konnte der Bora-Profi zu Duyunov (???) aufschließen, der nur für wenige Meter in der Lage war, das Hinterrad seines Landsmannes zu halten. Dahinter formierte sich eine Verfolgergruppe mit Syritsa (MOV), Ermakov (LT2) und Novikov (COR), die nun zwar durchaus gut zusammenarbeiteten, die Lücke zu Vlasov (BOH) aber mehr und mehr aufgehen lassen mussten. Einzig Duyunov (???), der sich über fast 70 Kilometer alleine an der Rennspitze behauptet hatte, wurde von dieser Verfolgergruppe eingeholt und an der nächsten Steigung zum Zielstrich dann auch gleich abgehängt. Das Glockenzeichen für die letzte Runde nahm Vlasov (BOH) mit 25 Sekunden Vorsprung in Empfang und es sah nicht so aus, als könnte der Bora-Profi auf den letzten zehn Kilometern noch von der Titelverteidigung auch im Straßenrennen abgehalten werden.
So kam es dann auch: Bis etwa vier Kilometer vor dem Ziel wurde in der Verfolgergruppe gemeinsame Sache gemacht, dann verlor Ermakov (LT2) als Erster das Interesse, kurz darauf fingen auch die anderen beiden mit taktischen Spielchen an. Vorne durfte sich also Vlasov (BOH) tatsächlich über den erneuten Doppeltitel freuen und holte sich nach dem Sieg im Zeitfahren auch den Erfolg im Straßenrennen.
Bei den Verfolgern kämpften damit noch drei Fahrer um die zwei verbliebenen Medaillen. Keine gute Ausgangssituation, denn einer würde leer ausgehen. Mit Syritsa (MOV) in der Gruppe war zudem auch klar, wer mutmaßlich die schnellsten Beine im Sprint haben würde, also ging Ermakov (LT2) an der Flame Rouge in die Offensive über. Knackiger Antritt aus der dritten Position, Syritsa (MOV) sprang hinterher und auch Novikov (COR) versuchte sich festzubeißen, musste aber die Lücke aufgehen lassen. Ermakov (LT2) gab alles, konnte aber den schnelleren Landsmann nicht vom Hinterrad wegfahren, sodass Syritsa (MOV) kurz vor dem Ziel vorbeisprinten und sich die Silbermedaille vor Ermakov (LT2) sichern konnte.