Hallo und herzlich willkommen zur Zusammenfassung des Classic Brugge - De Panne. Wer schon ein paar Jahre länger mit der Materie vertraut ist, kennt noch die Driedaagse van De Panne, die wie der Name schon sagt als dreitägiges Etappenrennen ausgetragen wurden – seit 2018 handelt es sich nun um ein Eintagesrennen, das am Mittwoch vor E3 und Gent - Wevelgem liegt und damit eine letzte Generalprobe vor den richtig prestigeträchtigen Klassikern Nordeuropas darstellt. Von Brügge nach De Panne würde man grundsätzlich auch deutlich effizienter kommen als auf den heute auszutragenden rund 200 Kilometern, die nämlich zu einem großen Teil als Rundkurs ausgetragen werden – und der ist komplett flach. Eine klare Angelegenheit für die Sprinter also? Vordergründig ja, aber hier an der Nordseeküste kann das Wetter schnell mal eine entscheidende Rolle spielen wie auch im Vorjahr, als Laporte (BBH) nach einem Chaosrennen aus einer kleinen Gruppe als Finisseur siegte. Er verzichtet diesmal auf einen Start, mal schauen, wer in seine Fußstapfen tritt.
Die Anfangsphase war jedenfalls unspektakulär, da hofften offenbar nicht allzu viele Fahrer auf den großen Coup und eine Fünfergruppe konnte sich bereits im ersten Anlauf entscheidend absetzen: So würden Alan Banaszek (COR), Juri Hollmann (EUS), Fabian Lienhard (SOQ), Dion Smith (PTK) und Mads Würtz (MOV) wohl weite Teile des Tages vor dem Feld verbringen. Die Zusammensetzung dürfte qualitativ jetzt nicht für ein Schaudern bei den nachführenden Teams verbringen und da dort rund zehn Mannschaften ihre Helfer einspannten, war auch quantitativ keine Bedrohung zu erwarten.
So plätscherte das Rennen vorerst recht entspannt dahin, nach 68 Kilometern überfuhr man erstmals die Ziellinie, aber hatte natürlich einen Großteil des Rennens noch vor sich. Immerhin konnte man so schonmal den Kurs erkunden und einen guten Eindruck gewinnen, was das Rennen so bereithalten könnte. Denn das Wetter meinte es heute nicht gut mit den Fahrern, jedenfalls nicht mit denen, die einen entspannten Tag bei Trockenheit, Wärme und maximal einem lauen Lüftchen bevorzugen. Der Wind nahm konstant zu und als man etwa zur Rennhälfte zum ersten mal die Passage südlich von De Panne rund um De Moeren absolvierte, zeichnete sich schon ab, dass dort in den offenen Feldern vielleicht wie im Vorjahr etwas passieren könnte. Visma drückte auch schonmal ein bisschen aufs Tempo, aber noch blieb es dahinter relativ ruhig.
Das änderte sich bei der nächsten Passage von De Moeren; 145 Kilometer waren inzwischen absolviert und die fünf weiterhin gut harmonierenden Ausreißer noch rund drei Minuten voraus. Auf den vorausgegangenen Kilometern war im Peloton einmal die Waschmaschine angeworfen worden, einige der bisher nachführenden Mannschaften auf einmal weit hinten, Israel und erneut Visma am Drücker. Sie zogen das Feld jetzt richtig in die Länge und siehe da – die Risse blieben nicht aus! Die beiden genannten Teams vorneweg, mit einzelnen Anhängseln auch aus anderen Mannschaften. Im zweiten, größeren Echelon nun Trek und Groupama am Drücker, die nicht ganz so offensiv agiert hatten, aber wach waren und nun versuchten, wieder heranzukommen.
Auch andere Teams waren dort noch ganz gut vertreten, Novo Nordisk unterstütze etwa und so gelang es, nach einigen Kilometern wieder zusammenzukommen. Aber nun war natürlich Zeit, mal eine Bestandsaufnahme zu machen und je genauer man draufschaute, umso mehr stellte man doch fest, dass es einige Teams richtig gebeutelt hatte. Alpecin, Corratec, Intermarché, Q36.5, Soudal, Total und Tudor waren gar nicht vertreten. Euskaltel hatte mit Welsford (EUS) zumindest den vermeintlichen Kapitän verloren, De Lie (MOV) wiederum alle seine Helfer. Insgesamt waren nur noch rund 35 der ursprünglich 126 Fahrer zusammen, die jetzt natürlich versuchten, die Konkurrenz nicht mehr herankommen zu lassen:
Asgreen, Renard (beide AST), Dillier, Rowe, Tesson (alle COF), Askey, Eekhoff, Haller, Kooij (alle EFE), García (EUS), Beullens, Biermans, Démare, Petit, van Asbroeck (alle GFC), Consonni, Milan, Rex, Sagan, Welten (alle IPT), Declercq, Lampaert, Philipsen, Rickaert (alle LTK), De Lie (MOV), Ballerini, Mozzato, O’Brien (alle PTK), Durbridge, Ludvigsson, van der Poel, Viviani (alle TNN), Cavagna, Kragh, Merlier, Sinkeldam, van Hoecke (alle TVL)
Auch wenn nicht alle gleichermaßen mitzogen, war das für einige der Anwesenden natürlich erstmal eine hinreichend attraktive Konstellation ohne Leute wie Gaviria (TUD), van Uden (TEN), van Poppel (ADC), Waerekskjold (SOQ) oder eben Welsford, um die Helfer einzuspannen und das Tempo hochzuhalten. Dahinter dauerte es einen Moment, bis man sich konsolidiert hatte, und von der Qualität der nun bolzenden Fahrer her waren die meisten sehr starken Leute nun natürlich im ersten Feld. Küng (TEN) stach hinten heraus und versuchte nun, für van Uden das Ganze zu reparieren, aber insgesamt hatte er zu wenig Support um die Lage schnell wieder zu kitten.
Für die frühen Ausreißer war die Verfolgungsjagd natürlich Gift, ihr Vorsprung sank nun rasch und sie wurden bereits mehr als 30 Kilometer vor dem Ziel wieder gestellt. Zwar versuchten sie, im jeweiligen Feld nochmal kurz zu helfen, waren da aber keine wesentliche Unterstützung mehr, denn es wurde richtig schnell gefahren. Weitere Attacken, sofern jemand sie vorhatte, waren in dieser Konstellation auch gerade nicht allzu attraktiv und immer wieder fielen auch Helfer ab. Dennoch schaffte man es, den Abstand zwischen den beiden Feldern bis zur nächsten Südschleife um De Moeren bei rund anderthalb Minuten zu konsolidieren, sodass die im Wind zurückgefallenen Fahrer wohl nicht mehr zurückkommen würden.
Tat sich vorne noch etwas, so wie im Vorjahr, als das Ganze hinten heraus in Kleingruppen zerfiel? Visma drückte hier erneut drauf und auch Education First versuchte nun, zu forcieren. Da wollten aber wiederum die anderen in nichts nachstehen, sodass sich zwar keine richtigen Attacken, aber doch eine Art Ausscheidungsfahren ergab, bei dem auch die Initiatoren nicht unbeschadet herauskamen. Als man ein letztes mal nördlich zurück nach De Panne fuhr, nur noch wenige Kilometer zu absolvieren, hatte sich der Kreis der Sieganwärter auf rund 20 Fahrer reduziert – die Sprinter hatten den Cut im Wesentlichen geschafft mit Teamsupport, dafür aber teils wichtige Anfahrer opfern müssen.
Asgreen, Renard (beide AST), Rowe, Tesson (beide COF), Haller, Kooij (beide EFE), García (EUS), Beullens, Démare, van Asbroeck (alle GFC), Milan, Rex (beide IPT), De Lie (MOV), Philipsen, Lampaert (beide LTK), Mozzato (PTK), Ludvigsson, van der Poel, Viviani (alle TNN), Cavagna, Kragh, Merlier (alle TVL)
Beullens (GFC) versuchte es dann nochmal mit einer späten Attacke, aber der Druck war jetzt einfach zu groß, er kam nicht richtig weg und wurde dann auch direkt durchgereicht. Eine richtig geordnete Sprintanfahrt war hier allerdings kaum mehr möglich, Novo Nordisk übernahm dann am ehesten das Kommando, allerdings für Viviani (TNN): Strandkorbs modifizierte Prognose, dass van der Poel (TNN) alle World-Tour-Klassiker gewinnt, schien also spätestens heute nicht mehr haltbar, der Niederländer heute ausnahmsweise mal im Dienst fürs Team. Er machte das dann natürlich auch sehr gut und ließ es nicht zu, dass die Konkurrenz noch in der Anfahrt vorbeizog, wobei die anderen großen Namen natürlich alle im unmittelbaren Umfeld platziert waren.
Viviani eröffnete also den Sprint aus der besten Position und zog auch gut los, wobei schon absehbar war, dass hinter ihm ein noch höherer Topspeed aufgebaut würde. Insbesondere der schon letzte Woche bei zwei belgischen Eintagesrennen siegreiche Merlier (TVL), Kooij (EFE), Milan (IPT) und Philipsen (LTK) kamen hier sehr stark auf – und zwischen diesen vier Fahrern entschied sich dann auch der Tagessieg. M&M, also Merlier und Milan, konnten dann wiederum nicht ganz bei den anderen beiden mithalten, Philipsen oder Kooij war hier die Frage und die Antwort bezogen auf den Sieg lautete…
… Jasper Philipsen! Auch wenn er seinen traditionell starken Zug heute weitgehend verlor, nach dem zweiten Platz bei Milano - Sanremo kann der Belgier heute seine Klasse final ausspielen und gewinnt vor Olav Kooij die Classic Brugge - De Panne. Jonathan Milan komplettiert das Podium, während Merlier heute zur Abwechslung mal mit Blech vorlieb nehmen muss. Viviani sowie auch Démare (GFC) hatten jeweils guten Teamsupport, aber heute nicht mehr ganz die Power, um das zu noch mehr als Platz fünf und sechs zu veredeln, während Arnaud De Lie (MOV) vielleicht genau dieser Support fehlte um mehr als Platz sieben mitzunehmen. Die Top10 komplettieren in dieser Reihenfolge die Herren Mozzato (PTK), Tesson (COF) und García (EUS), gefolgt auf den Plätzen 11 bis 15 von Renard (AST), van Asbroeck (GFC), van der Poel (TNN), Rex (IPT) und Asgreen (AST). Ich bedanke mich fürs Interesse am heutigen Rennen und melde mich Ende nächste Woche wieder, nach einem kleinen Sprung in die Niederlande zur Volta NXT Classic.
Hier seit 20. Februar 2006.