Radsim '05

Bonjour et bienvenue, ich begrüße euch zum Grand Prix de Montréal und damit dem zweiten der beiden kanadischen Eintagesrennen im World-Tour-Kalender. Vieles von der Vorgeschichte, das vorgestern erzählt wurde, stimmt also auch weiterhin, wie die Tatsache, dass das Rennen 2010 zum ersten mal ausgetragen wurde und dass die Siegerliste aus steigungsfesten, aber auch endschnellen Fahrern besteht. Allerdings ist die hiesige dann doch die etwas weniger sprinterfreundliche; darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass Peter Sagan einer der beiden Rekordsieger ist mit zwei Erfolgen - der andere ist Thomas Voeckler, auch schön, an ihn mal wieder erinnert zu werden. Titelverteidiger Evenepoel verzichtet auf eine Teilnahme, sodass nur van der Poel (2022), Van Aert (2021) oder Alaphilippe (2019) die Möglichkeit haben, mit einem zweiten Sieg mit den Rekordhaltern gleichzuziehen.

Schauen wir noch auf Strecke und Teilnehmer, auch hier kann man sagen: Viel Ähnliches zum Grand Prix de Québec, aber auch Unterschiede. Ein Rundkurs ist es hier wie dort, allerdings geht der heutige noch stärker auf und ab mit der Côte de Camillien-Houde jeweils zum Rundenwechsel: 2,3 Kilometer à 6,2 Prozent können schon für größere Selektionen sorgen, vor allem, wenn man da 17-mal hoch muss. Verzichten müssen wir im Vergleich zu vorgestern auf Astana, DSM und Jayco, während die übrigen 13 Teams wieder dabei sind und auf den ersten Blick auch mit demselben Personal. Mal schauen, ob De Lie (MOV) & Co. auch heute konkurrenzfähig sind, oder wir ganz andere Fahrer vorne sehen.

Die Anfangsphase ging dann gleich mal rund, noch stärker als vorgestern. Die französischen Teams Total Energies und Groupama versuchten sich dabei am intensivsten an der Kontrolle, während viele andere selbst gerne offensiv werden wollten. Q36.5 zeigte sich da beispielsweise erneut sehr aktiv, aber auch andere Teams versuchten es abwechselnd mit mehreren Fahrern bzw. schickten zumindest dann jemanden nach, wenn sich große Gruppen aufzufüllen schienen. Das sorgte dann dafür, dass zwischenzeitlich auch mal der Vorjahresfünfte Madouas (IPT) oder Bilbao (EUS) mit vorne waren, denen dann aber direkt auch weitere große Namen folgten, sodass sich das Ganze wieder neutralisierte. Auch Total schickte zwischenzeitlich mit Paret-Peintre (TEN) einen Aufpasser mit, doch auch dessen Gruppe lief nicht und wurde wieder zurückgeholt.

Letztlich lösten sich erst nach 26 Kilometern in der Côte de Camillien-Houde fünf Fahrer entscheidend und viele Aspiranten guckten in die Röhre, hatten hier jetzt nicht mehr den Punch, um mit dabei zu sein. Dass William Barta (TNN), Samuele Battistella (Q36), Jesús Herrada (MOV), Quinn Simmons (LTK) und Stephen Williams (TBV) die Gruppe des Tages bildeten, zeigte schon: Da war einiges an Qualität auf diesem hügligen Terrain erforderlich, um sich erfolgreich abzusetzen. Die hatten diese fünf allesamt und bauten ihren Vorsprung nun erstmal aus - hinten hatten die Helfer auch schon ordentlich investieren müssen in der Anfangsphase und man konnte die Pace natürlich auch nicht so hoch halten, dass die weniger steigungsfesten Tempobolzer sofort den Anschluss verlieren würden. Also zog das Quintett erstmal auf einige Minuten davon, ehe man die Bemühungen intensivierte, das Ganze zu deckeln.

Die Gruppe vorne kann allein in diesem Jahr schon auf gute Bilanzen zurückblicken: Williams zeigte als Zweiter der Tour Down Under und des Evans Great Ocean Race, dass er sich auf außereuropäischem Terrain wohlzufühlen scheint - ebenso Simmons, der nämlich der Sieger des besagten Evans Great Ocean Race war. Battistella wurde jüngst Etappenzweiter bei der Tour de Pologne, zwei Ränge hinter ihm lag auf diesem Teilstück übrigens erneut Simmons. Barta stand bereits auf dem Podium der Trofeo Port d'Andratx - wiederum einen Platz hinter Herrrada, der dort Zweiter war und auch eine Etappe bei Tirreno - Adriatico für sich entschied. Also, man kennt sich teilweise dort vorne und bringt Qualität mit - in dieser frühen Rennphase eine höhere als die nachführenden Fahrer im Peloton.

Über weite Teile des Tages passierte auch heute nicht so viel, das Wetter war erneut unspektakulär und neue Attackenwellen oder dergleichen gab es vorerst nicht zu vermelden. Den Abstand hatte man dann doch ganz solide in den Griff bekommen, denn auch wenn wie gesagt die Helfer dort im 1:1-Vergleich gegen die Ausreißer wohl nicht so gut abschnitten, konnten sie sich natürlich nacheinander voll aufopfern, während unsere fünf Spitzenreiter natürlich mit ihren Kräften haushalten mussten um im Erfolgsfall noch ein paar Reserven zu haben. Groupama und Total fanden dann im Laufe des Rennens auch frische, nochmal stärkere Fahrer, die das Ganze nun in die aus Sicht der Topfavoriten richtigen Bahnen lenkten, sporadisch auch unterstützt durch andere Teams, die den vielleicht erhofften Sprung nach vorne verpasst hatten und sich den Gegenbenheiten nun anpassten.

Eingangs der viertletzten Runde, gute 50 Kilometer vor dem Ziel, hatten die Ausreißer noch dreieinhalb Minuten Vorsprung - eine Runde später aber immer noch fast drei, sodass nun hinten wohl doch mal etwas passieren musste, wenn man den Trend wieder umkehren wollten, denn in diesem Tempo würde das nichts. Die Helfer schienen also langsam aufgebraucht, würden die Kapitäne früh genug selbst aktiv? Mauro Schmid (LTK) setzte hier vor dem Rundenwechsel einen Angriff, war genau wie kurz danach Teamkollege Powless (LTK) aber so von den anderen Favoriten gedeckt, dass zu viele am Hinterrad hingen und das Ganze damit wieder zusammenlief. Allerdings waren bereits einige Fahrer aus dem erweiterten Favoritenkreis wie De Lie, Ghirmay (EFE), Narváez (COF), Van Eetvelt (COF) oder Teuns (TBV) in größere Schwierigkeiten geraten und schienen heute nichts mit der Entscheidung zu tun zu haben. Romain Grégoire (TEN) führte dann ein dadurch auf Favoritengruppengröße geschrumpftes Feld in die Anfahrt zur vorletzten Côte de Camillien-Houde - sodass sich gute 25 Kilometer vor dem Ziel folgende Rennsituation ergab:

Im besagten Anstieg setzte Vermaerke (IWA) eine erste Attacke aus dem Feld und machte eine Lücke auf, dann aber kam das, worauf auch heute vermutlich jeder gewartet hatte: Attacke Tadej Pogacar (TEN)! Und wie schon vorgestern konnte niemand direkt das Hinterrad halten. Der Slowene stapfte erstmal los, dahinter flog das Ganze jetzt zumindest temporär in seine Einzelteile auseinander. Die Lücke, die Pogacar hier aufmachte, war auf jeden Fall sofort größer als die bei Grand Prix de Québec, die dann letztlich ja auch nicht ausreichte. Hinter ihm schien sich die Lage zu konsolidieren in der folgenden Abfahrt, wobei Julian Alaphilippe (GFC) dann direkt die nächste Gegensteigung für einen Vorstoß nutzte, dem sich Skujins (Q36) und van Gils (IWA) anschlossen und sich zu dritt ein Stück absetzten.

Kampf an vielen Fronten also - anders an der Spitze, wo es weiterhin recht harmonisch zuging, bisher waren keine ganz großen Qualitätsunterschiede zutage getreten und nun wollte man gemeinsam das Bestmögliche erreichen. Wobei Pogacar in bekannter Manier heranflog, der wellige Parcours kam ihm nun natürlich auch entgegen, um sich weiter abzusetzen bzw. nach vorne den Abstand eben zu verkürzen. Zwölfeinhalb Kilometer vor dem Ziel ging es letztmals in die Côte de Camillien-Houde, denn auf der Schlussrunde wurde diese nicht mehr als Finale ausgetragen. Vorne hatten Herrada und Barta nun leichte Schwierigkeiten, sodass sich Battistella, Simmons und Williams ein Stück absetzen konnten. Sie alle wurden aber in dieser Steigung wie Amateure stehen gelassen, denn da war schon Tadej Pogacar, der hier problemlos vorbeiflog.

Auch das Verfolgertrio mit Alaphilippe, Skujins und van Gils hatte sich vor dem Rest behauptet, allerdings nur um ca. 15 Sekunden zu Beginn der Steigung, was anderen Fahrern Gelegenheit gab, aufzuschließen: Pello Bilbao (EUS) hatte dahinter attackiert und die beiden US-Amerikaner Jorgenson (EFE) und Powless (LTK) im Schlepptau. Zu sechst gelang es, noch vor der Kuppe zu den frühen Ausreißern aufzuschließen, wo sich Battistella und Simmons entsprechend für ihre neu hinzugekommenen Kapitäne einsetzten auf den folgenden Kilometern. Sie halfen dabei, den Abstand nach hinten aufrechtzuerhalten, wo sich eine nächste Verfolgergruppe gebildet hatte mit Aranburu (MOV), Benoot (IWA), Carapaz (TBV) und Madouas (IPT). Noch dahinter lag dann eine nächste Formation um van Aert und van der Poel, die es jetzt wohl schwer hatten, heute um die ganz großen Punkte mitzukämpfen.

So ging es auf die letzte Runde und somit in die unmittelbare Entscheidung. Immer schön, wenn der Sieg bis zum Schluss spannend bleibt - aber damit kann ich heute leider nicht dienen. Dafür hätte Pogacar schon spektakulär einbrechen oder stürzen müssen, aber das geschah vorerst nicht. Spannender war es insofern dahinter, wo in der folgenden Côte du Polytechnique zunächst Battistella und Simmons reißen lassen mussten und kurz danach mit Williams auch der letzte der frühen Ausreißer. Weit haben sie es gebracht, aber ein bisschen durchgereicht würden sie dann wohl doch noch. Somit befand sich ein Sextett auf Pogacars direkter Verfolgung und es sah jetzt nicht mehr danach aus, als käme von hinten nochmal jemand an dieses Sextett heran: Alaphilippe, Bilbao, Jorgenson, Powless, Skujins und van Gils waren das, die hier durchaus den einen oder anderen Nadelstich setzten und somit von perfekter Harmonie weit entfernt waren, aber auch dahinter konnte man offenbar nicht mehr richtig zulegen.

Doch zunächst Ehre, wem Ehre gebührt, wir nähern uns der Zieleinfahrt von Pogacar und haben da auch Zeit, draufzuschauen, der Sieger von Giro und Tour schnappt sich auch den Grand Prix de Montréal - Gratulation! Dahinter gab es weitere Versuche, sich davonzustehlen, aber weiterhin war keiner davon von Erfolg gekrönt. Im Sechsersprint um Platz zwei waren letztlich van Gils und Alaphilippe am stärksten und der erfahrene Franzose schob das Rad noch knapp am Belgier vorbei. Vierter Skujins, Fünfter Jorgenson, Sechster Bilbao und Siebter Powless - ehe dann die nächste Vierergruppe ins Ziel kam: Dort setzte sich Alex Aranburu im Kampf um Platz acht durch vor Madouas, Carapaz und Benoot. Stevie Williams rettete sich dann noch knapp vor der nächsten Gruppe ins Ziel als last man standing der frühen Flucht, ehe Van der Poel und Van Aert heute mit für sie ungewohnten Rängen 13 und 14 Vorlieb nehmen mussten. Alles Weitere ist dann den üblichen Übersichten zu entnehmen, ich sage danke fürs Interesse am Grand Prix Montréal und melde mich als nächstes vom Super 8 Classic wieder. Bis dahin!